AG "Schöpfungsbewahrung heute"

Konsum aus dem Blickwinkel der Biologin


Konsum ist natürlich
Das Papier von Bernd Winkelmann „Konsumismus“ unterstütze ich in seinen Einzelheiten über die Sorgen unserer ausufernden Wirtschaft. Als Beitrag zum Aspekt Schöpfungsbewahrung des Konziliaren Prozesses finde ich ihn aber entschieden zu eng auf die Entartung des Konsums in der postmodernen Gesellschaft fokussiert, zumal dieser Gedanke auch von der AG Gerechtigkeit aufgenommen ist. Konsumismus ist die als Sucht entartete Form des Konsums. Konsum ist in meines Erachtens nach zunächst aber ein neutraler Ausdruck, der den Verbrauch von Nahrung, Rohstoffen und Gütern bezeichnet. Der von unserer Natur als Lebewesen geforderte Verzehr von Nahrungsmitteln zum Aufbau unseres Körpers und Deckung unseres Energiebedarfs für den täglichen Stoffwechsel ist natürlich und existentiell notwendig. Mit dem Verzehr von Nahrungsmitteln einverleiben wir uns täglich einen Stückchen der Welt und assimilieren es in unseren Körper.


Konsum macht die Erde lebendig
Mit unserem kreatürlichen Leben sind wir ein Teil der Biosphäre, deren pflanzlicher Anteil dank seiner Ausstattung mit Blattgrün Sonnenenergie auffangen und in chemische Energie binden kann. Von diesen energiereichen Verbindungen ernähren sich wiederum alle nicht grünen Organismen: Pilze, Bakterien und Tiere, zu denen in dieser Hinsicht ja auch die Menschen gehören. Das Leben auf der Erde ist an diese Verwertung von kosmischer Strahlungsenergie gebunden.


Nahrungsketten ernähren viele
Energie in Nahrungsmitteln steckt als Bindungsenergie in organischen Molekülen, ist also an Materie geknüpft. Der weltweite Energiekreislauf der Lebewesen ist deshalb verbunden mit einem weltweiten Stoffkreislauf, der die Nutzung dieser Energie in ausgeklügelten, aufeinander abgestimmten Nahrungsketten und Stoffwechselsystemen ermöglicht. Nur ein wenig Kenntnis von den Kaskaden eingespielter Reaktionsketten von Fotosynthese, Assimilation, Verdauung, Atmung in all ihrer vielfältigen Ausprägungen lässt jedermann vor diesem Wunder ehrfürchtig staunen.


Die Lebensgemeinschaft Erde ist ein kosmischer Glücksfall
Ebenfalls völlig unwahrscheinlich und allein deshalb wunderbar sind die kosmischen Bedingungen der Einbindung unserer Erde in ein bewegtes Planetensystem. Gerade nur in der bestimmten Entfernung von der strahlenden Sonne, mit einer Eigendrehung, die Tag und Nacht und den Erdmagnetismus erzeugt und der Bewegung im Raum, die die Jahreszeiten hervorruft zusammen mit der Ausbildung einer Atmosphäre ist Leben gerade auf der Erde möglich. Die Leben spendende Atmosphäre ist eine Folge der kosmischen Bedingungen und auch von Entwicklung mit Lebewesen. Durch Lebensvorgänge wird der kristalline Mantel der Erde, das Gestein mit der Atmosphäre vermischt und verbunden, Mutterboden entsteht, in dem das, was wir als Natur empfinden, lebt, gedeiht, stirbt und sich vermehrt. Andauernd in unglaublich vielgestaltiger Form und immerwährender Bewegung von Abbau, Aufbau und Entwicklung wird Materie in Lebendiges verwandelt: aus „Dreck“ werden Fliegen, aus Fliegen Frösche, aus Fröschen Störche........Mit dem Konsum von Nahrung und regenerativen Rohstoffen sind wir als Einzelne Teil dieser weltweiten Gemeinschaft und Dynamik, die wir Leben nennen.


Konsum bindet uns ein in die Natur
Weil wegen der Vermehrungsfähigkeit von Lebewesen Nahrung auch immer wieder knapp wird, hat sich im Lauf der Evolution eine erstaunliche Vielfalt von Lebensformen herausgebildet, die ehrfürchtig erschauern lässt vor der Fantasie und Potenz, die Lebensprozesse mit ihren Energie- und Stoffkreisläufen in sich tragen. Im Bewusstsein, als einzelner Mensch mit dem Konsum Teil der Biosphäre zu sein, ist zunächst Grund zur Dankbarkeit über dieses feine Gespinst von Naturgesetzen und aufeinander eingespielten Lebensvorgängen, denen wir unser Leben verdanken und in denen wir geborgen sind. Sie nicht zu verderben ist gleichzeitig unsere Verantwortung in unserem alltäglichen Verhalten. Vielen ist das aber ein tiefes Bedürfnis, denn wir müssen die Voraussetzungen für Leben nicht erfinden und gestalten, wir würden uns übernehmen, wir dürfen daran teilnehmen. Die sehr weit verbreitete Angst vor der Naturzerstörung teile ich deshalb in diesem Sinne nicht. Denn wenn ich mir die Entwicklung bis zu der Vielfalt von Lebewesen, in allen Klimazonen der Erde, die wir heute kennen vor Augen halte, dann bin ich mir gewiss, dass auch zukünftige Störungen des ökologischen Gleichgewichtes durch die Entwicklungsfähigkeit der Natur aufgefangen werden können, die neue Lösungen für andere Umweltbedingungen finden wird. Das Überleben des Menschen im Einzelnen und Allgemeinen ist damit allerdings nicht garantiert.


Die Angst der Reichen vor Naturzerstörung
Sehr nachdenklich stimmt mich, dass gerade in den Industrieländern mit ihren bevorzugten, besonders sicheren und komfortablen Lebensumständen die Angst vor die Naturzerstörung wächst – ohne dass deshalb allgemein Umwelt- und Naturschutz als wichtige Aufgabe betrachtet werden. Deshalb ist mein Verdacht, dass nicht die Natur von den Menschen bedroht ist, sondern sich viele Menschen ohne alltäglichen und gefühlsmäßigen Kontakt mit der Natur von allen guten Geistern verlassen fühlen. Besonders auch die Entwicklung der Medizin mit ihrer unaufhaltsamen Kostenexplosion und die Diskussion über In-Vitro-Fertilisation und gentechnische Entwicklung neuer Arzneimittel zeigen eine entgrenzte Vorstellung, wie sehr unsere natürliche Körperlichkeit nach menschlicher Absicht geplant werden soll. Die medizinische Technik und Methode macht weiter Fortschritte, aber zugleich führt sie unser Sozialsystem in die Zerreißprobe. Andererseits wird an den Prozessen über preiswerte HIV/AIDS Medikamente die eklatante, weltweite Ungerechtigkeit deutlich.


Magersucht – eine gesellschaftliche Krankheit
Symptomatisch für den Umgang mit unser privaten Natur, unserem Körper, scheint mir die erschreckende Zunahme von magersüchtigen Frauen zu sein, die zur Anpassung an Schönheitsideale ihre eiserne Disziplin einsetzen. Sie erleiden persönlich eine Krankheit, die in Wirklichkeit eine unserer Gesellschaft ist. Sie verweigern den existentiellen Konsum und können keine Liebe empfangen, schneiden sich damit von der nährenden Natur ab. Gerade an unserem eigenen Körper machen wir aber Erfahrungen mit Wachsen, Stärkung, krank Sein und gesund Werden, also ganz ursprünglichen Naturkräften.


Natur ist da, wo es etwas zu konsumieren gibt
Diese unerschütterliche Lebendigkeit der Natur können wir auch außerhalb von uns selbst in der umgebenden Landschaft, Gärten und sogar im Siedlungsraum wiederfinden: Unkraut, das verödete Plätze wieder erobert, Gebäude, die altern und durch Moose und Gras wieder in den Naturhaushalt aufgenommen werden. In den Kläranlagen zersetzen Bakterien die Schmutzfracht der Abwässer – indem sie konsumieren. Müllberge schrumpfen durch bakteriellen Abbau. Durch den unendlichen Kreislauf des Wassers von der Verdunstung zum Regen, haben wir immer wieder frisches Wasser, obwohl das Süßwasser auf der Erde so knapp ist, dass es immer wieder von Neuem getrunken wird. Es gibt also gewissermaßen einen großen Süßwasserstrom durch alle Lebewesen inklusive der Menschen. Durch die Reinigung des Wassers zwischen Himmel und Erde kann es immer wieder Leben spendend wirken.


Tod bringt Leben
Ebenso ist die Materie auf der Erde in stetigem Umbau in den Lebewesen begriffen. Der kristalline Gesteinsmantel der Erde wird durch die Tätigkeit einfacher Organismen mit Wasser und Sauerstoff der Atmosphäre verbunden und dadurch lebendiger Boden, der die Pflanzen nährt und diese ernähren mit ihrem Absterben die Tiere. Durch ein komplexes in Milliarden Jahren der Evolution aufeinander abgestimmten System von unterschiedlichen Lebensformen ist der Tod eines Organismus die Nahrung eines anderen. Einen Abglanz dieses wunderbaren Schöpfungswunders können wir in einem ganz normalen Komposthaufen miterleben: uns unliebsame Abfälle führen zur schlagartigen Vermehrung von tausenden von Kleinlebewesen, die durch eifriges Fressen schließlich duftende Pflanzenerde erzeugen.


Die Schöpfung ist produktiv und schön
Die Natur ist uns als sehr alte Firma in ihrem Umgang mit Material ökonomisch effizient- sparsam und abfallfrei bei maximaler Produktivität. Dazu ist sie bezaubernd schön und unendlich Formen- und fantasiereich. Gottes Schöpfungslust ist greifbar. In der Natur ist Er erlebbar und uns nah. Deshalb ist für mich die Natur eine große Einladung in Seine ewigen Kreisläufe, in Lebenslust und Schönheit. Die darin gründende bilderreiche Sprache der Bibel auf die Begegnung mit der Natur hin neu zu lesen, wird zu einer anregenden Entdeckungsreise werden. Eine Reise in eine Weite, in der unsere Freiheit in der kosmischen Ordnung geborgen ist. In der Gegnerschaft zur der bedrohlichen Natur dagegen sind wir Ausgestoßene. Wir dürfen uns wieder in die Schöpfungsordnung einreihen, wenn wir unser Wissen und Wollen in diese Richtung trainieren. Auch wirtschaftlich ist es nützlich, für menschliche Bedürfnisse Vorbilder in der Natur zu suchen. Viele Anfänge sind gemacht. Auch die Umweltgesetzgebung belohnt zunehmend umweltschonende Produktion, das freiwillige Umwelt-Audit ist in 2000 Firmen schon eingeführt, dezentrale, regenerative Energieerzeugung findet immer mehr Unterstützer. Die technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen in Richtung ökologischen Wirtschaftens an die junge Generation ist groß.


Billiger Konsum ist einseitig
Die größte Gefahr liegt in der mangelhaften Teilnahme weiter Kreise der Bevölkerung am Kreislaufwirtschaften, weil ihnen zur Zeit noch billige Produkte näher liegen als ökologische. Der Griff zu billigen Konsumartikeln wird aber von den Grundsätzen einer Mangelgesellschaft gesteuert, die in unserer Überflussgesellschaft immer weniger angebracht sind. Andere Konsumformen werden bereits ansatzweise geübt: mit biologisch produzierten Lebensmitteln die Landwirtschaft in eine Kreislaufwirtschaft überführen. Mit Ware aus dem Fairen Handel die Entwicklung in den Erzeugerländern begünstigen. Solch verantwortlicher Einkauf ist ein Konsum mit Mehrwerteffekt, denn wird von der Vorstellung gegenseitiger Verbundenheit angefacht: Ich hier habe ein gutes Produkt und der Erzeuger anderswo kann gerechte Strukturen entwickeln. Konsum schafft Verbindung und ein globales Bewusstsein. Als „Politik mit dem Einkaufskorb“ kann er auch die Macht des Verbrauchers spürbar machen.


Fazit
Konsum ist ein Erfahrungsfeld zwischen mir und meiner Umwelt. Durch ihn bin ich Teil der Schöpfung und einverleibe ich mir die Welt. Durch Konsumieren bin mit den anderen Menschen verbunden und zusammen mit allen Lebewesen ein Teil der weltweiten Mahlgemeinschaft.


Johanna Moltmann-Hermann, AG Schöpfung