AG "Schöpfungsbewahrung heute"
Schöpfungsbewahrung
Paradigmenwechsel in Politik, Wirtschafts- und Lebensweise
Versuch einer Fokussierung 2001
Vorläufige Arbeitsthesen der Arbeitsgruppe „Schöpfungsbewahrung"
Text Winkelmann, Stand 23.1. 2002
Zum Anliegen der Arbeitsthesen
Diese Arbeitsthesen wollen keine neue Beschreibung der ökologischen Entwicklung liefern oder diese
gar belegen. Die Kenntnis der wichtigsten Daten setzen wir voraus. Sie wollen vielmehr den Blick auf die entscheidenden
Krisenpunkte der gegenwärtigen Entwicklung und auf die „Knackpunkte" für eine notwendige
Richtungsänderung in Politik und Wirtschafts- und Lebensweise zu Gunsten einer zukunftsfähigen (nachhaltigen)
Entwicklung der menschlichen Zivilisation lenken und zu neuem Handeln anregen.
(Die folgenden Thesen formulieren in Stichworten, wo Fakten und Sachverhalte erinnert werden;
sie formuliere in Sätzen, wo Inhalte und Zusammenhänge neu gesehen werden sollen.)
I. Situationswahrnehmung
Die gegenwärtige Situation ist vor allem gekennzeichnet durch den Widerspruch
zwischen einem weltweiten ökologischen Problembewusstsein und ökologischen
Aufbruchsbewegungen einerseits und einer mentalen Bewusstseinspaltung der Menschen und dem Hängenbleiben
in alten Handlungsmustern andrerseits. Auf Grund dieses Widerspruches ist das Treiben in eine ökologische
Krise hinein weiterhin ungebrochen. Konkreter ist zu sehen:
1. Weltweiter ökologischer Aufbruch
- Seit den 60ziger Jahre Entwicklung des ökologischen Krisenbewusstseins, einer ökologischen
Bewegung weltweit und durch alle Lager hindurch;
- Schlüsselerkenntnis: ein weiteres Wachstum an Material- und Energieumsatz des menschlichen Wirtschaftens
stößt an die Grenzen der Belastbarkeit unseres Ökosystems Erde und führt ohne einschneidende
Korrektur zur Zerstörung der Überlebensmöglichkeiten menschlicher Zivilisation;
- Nach vielen Vorkonferenzen Weltumweltkonferenz Rio 92: Durchbruch eines neuen politisch-ökologischen
Paradigmas auf offizieller Ebene: Bekenntnis zur generellen Nachhaltigkeit in der Wirtschafts- und Lebensweise
der Menschen weltweit;
- Eine Fülle von internationalen Folgekonferenzen und Folgebeschlüsse insbesondere zum Klima und
Artenschutz, zu ...
- Nationale und regionale Beschlüsse in vielen Staaten; z.B. Selbstverpflichtung zur CO2-Minderung,
Initiativen „Lokale Agenda 21" usw.
- Eine Fülle von Studien und Bücher, in denen sowohl Ursachen und Zusammenhänge wie auch
notwenige technologische, politische, wirtschaftliche und mentale Änderungsmöglichkeiten aufgezeigt
werden (exemplarisch für unser Land „Nachhaltiges Deutschland - Wege zu einer dauerhaften umweltgerechten
Entwicklung", Umweltbundesamt;
„Zukunftsfähiges Deutschland - Ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung", Wuppertaler Institut
für Klima, Umwelt und Energie);
- Eine Fülle von Bewegungen und Initiativen „von unten" in NGÖ', in Ökologie-
und Lebensstilgruppen, in Kirchen und Religionsgemeinschaften ...
Im Ganzen ist zu sehen, dass es - wie selten in der Menschheitsgeschichte - in relative kurzer Zeit (40 Jahren)
zu einer weltweiten ökologischen Aufbruchsbewegung gekommen ist, in der die entscheidenden Inhalte für
einen notwendigen generellen Paradigmenwechsel in Wirtschafts- und Lebensweise erkannt und in Ansätzen praktiziert
werden.
2. Bleibende ökologische Krisenentwicklung
Trotz diesse weltweiten ökologischen Aufbruches zeigen die
ökologischen Schlüsseldaten nach allen einschlägigen Studien weiter in Richtung einer
empfindlichen Destabilisierung des gesamten Ökosystems Erde. Dabei sind die Schädigung der
Erdatmosphäre und eine weitere Überlastung aller natürlichen Ressourcen die gravierendsten Daten.
An der Spitze der umweltbelastenden Technologien stehen der Verkehr und die herkömmliche Energienutzung.
Hauptverursacher der ökologischen Zerstörung sind weiterhin die wohlhabenden Industriestaaten, die,
obwohl sie nur etwa 20% der Erdbevölkerung ausmachen, etwa 80% aller Umweltschäden der Welt verursachen.
Ihr Energie- und Materialumsatz liegt etwa 3 -8 mal über dem ökologisch verträglichem Maß.
Eine weitere Übertragung der Wirtschaftsund Lebensweise der Industriestaaten auf die Entwicklungsländer
rückt eine ökologische Katastrophe in absehbare Nähe.
Diese Krisenentwicklung ist insgesamt auf das Zusammenwirken von drei Hauptfaktoren
zurückzuführen:
- auf die expansive Wirtschaftsweise der wohlhabenden Industriestaaten und ihrer Globalisierung,
- auf die Bevölkerungsexplosion in den Entwicklungsländern,
- folgend aus beidem so das Erreichen der Endlichkeit des Ökosystems Erde, in dem ein weiteres
Ausbeuten von Ressourcen und eine weitere Externalisierung von Folgelasten an objektive Grenzen stößt
und den Druck als Destabilisierung des Ökosystems nach innen zurückgibt.
(Noch ergänzen und ausformulieren: Dies Ganze in wachsender Dichotomie (Auseinanderbewegung)
zwischen hohem technologischem Vermögen und großem wirtschaftlichem Reichtum einerseits und zunehmender
Verarmung und Nichtfinanzierbarkeit des ökologischen und sozial Notwendigen...
3. Ohnmacht der Politik, mentale Schizophrenie in der Bevölkerung
3.1. Es ist deutlich: Trotz guter Erkenntnisse und Ansätze ist die Politik bisher nicht in der Lage,
die ökologische Entwicklung global und wirksam umzusteuern. Sie ist in ihrer Willenkraft und in ihrem
Durchsetzungsvermögen weitgehend blockiert einmal durch Machtabhängigkeiten (von der Wirtschaft,
vom Wähler, von globalen Bedingungen), zum anderen durch so genannte „Sachzwänge", die vor allem
aus wirtschaftlichen Prämissen kommen. Dabei ist die Prämisse, dass Wirtschaft nur im ständigen
Wachstum funktioniert und Wachstum ab besten in einer weitgehend deregulierten Marktwirtschaft am besten funktioniert,
der entscheidende Grund für das bisherige Scheitern der Politik, (dazu unter II. l mehr). Eine Konsequenz dieser
Haltung wäre das „Ende der Politik". In der Konsequenz wäre das aber das Ende der menschlichen Zivilisation,
denn eine globale politische Steuerung der ökologisch relevanten Rahmenbedingungen ist Voraussetzung einer
zukunftsfähigen Entwicklung der Menschheit.
3.2. Dem Widerspruch im Politischen entspricht eine mentale Schizophrenie der Einzelnen und
der öffentlichen Meinung:
Einerseits sind ökologische Grunderkenntnisse und ist die ökologische Sorge Allgemeingut
in fast allen Schichten der Bevölkerung geworden. Alle meinen, es müsse grundsätzlich was anders werden,
im Umgang mit der Natur, in der Lebensart der Menschen, in Politik und Wirtschaft.
Andrerseits gibt es aber eine allergische Abwehr gegen ökologische Handlungskonsequenzen, jedenfalls dann,
wenn sie einschneidende Veränderungen im eigenen Wertgefüge und in der eigenen Lebensart erfordern.
Diese Schizophrenie zeigt sich z.B. bei massiven Krisenereignisse wie Tschernobyl, BSE-Krise u.a.: im Moment der
Betroffenheit: „Ja, so geht es nicht, der Mensch muss wieder mit der Natur gehen, auch wir müssen Konsequenzen
tragen..." Aber noch kurzer Zeit wieder Vergessen, Ablehnen von Veränderungsforderungen, Hilflosigkeit,
Schuldzuweisung an andere. Skeptizismus ...
Diese Schizophrenie spiegelt sich auch in den meisten Medien und in der öffentlich gemachten Meinung wieder:
einerseits heizen sie Sorgen auf, zeichnen sensationslüstern düsteren Szenarien, polemisieren aber andrerseits
gegen alle einschneidenden Veränderungsforderungen und suggerieren, dass es doch nur so weiter gehen kann
wie bisher. In der Massentendenz geben sich die meisten Medien ökologiebewusst, sind aber in ihrer sublimen
Meinungsbildung weitgehend ökologieskeptisch bis ökologiefeindlich. Die bewussten Bildungs- und
Erziehungsträger wie Elternhaus, Schule, freie Bildungswerke, Kirchen usw. können offensichtlich trotz
oft guter Bemühungen gegen diese Massentendenz nicht ausreichend anwirken - auch weil es einen
übermächtigen negativen mentalen Regelkreis zwischen öffentlicher Meinungsbildung,
unzureichende Politik und eigener Gespaltenheit gibt. Dieser Negativtrennt ist eine der Hauptursachen
für die Kluft zwischen politischem Wollen und politischen Handeln.
Worum es geht
Im Ganzen ist deutlich: Unsere Gesellschaft befindet sich augenscheinlich in einer
empfindlichen Pendel- oder Kippphase: nach starkem Ausschlagen des Pendels in einen ökologischen Aufbruch jetzt
teilweises Zurückschlages des Pendels; Stagnation, regressive Phase, hängen bleiben im alten Denken,
gefangen in alten Mustern, daraus Sackgassensituation. Andrerseits geht aber mehr verdeckt und in Kleinarbeit,
vor allem in Initiativen und Gruppen, die dran geblieben sind, aber auch in Fachkreisen und Instituten,
das alternative Suchen und die Sacharbeit weiter.
Wahrscheinlich stehen wir in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten an einem zivilisatorischen Scheideweg:
Entweder schlägt der Pendel gänzlich zurück und macht die zerstörerische Entwicklung unrevidierbar
oder es gelingt in den nächsten Jahren eine wirkliche Wende zur nachhaltigen Entwicklung unserer Zivilisation.
Dafür wären vor allem notwendig:
- die destruktiven Mechanismen in Wirtschaft und Lebensweise durchschauen,
- die Ursachen für die mentale Spaltung des Mensche herausfinden,
- von daher die notwendigen Richtungsänderungen erkennen,
- die wirksamen Entwicklungsstrategien und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen und
in Gang setzen. Im Folgenden dafür thesenhafte Zuspitzungen.
II. Ursachenanalyse und Richtungsansage
Im Ganzen sind sowohl analytisch wie lösungsorientiert vor allem drei „Knackpunkte"
zu bearbeiten:
- die Fehlentwicklung und Umsteuerung in der Wirtschaft,
- die Fehlentwicklung und Neuorientierung in der Wertehaltung und Lebensweise,
- die Fehlentwicklung und Neubestimmung in der Politik
1. Fehlentwicklung in der Wirtschaft — notwendiger Paradigmenwechsel
1.1. Fehlentwicklungen in der Wirtschaft sind vor allem:
- Die Wirtschaft ist gefangen im Primat und unter den Zwängen ständigen Wachstums:
wer nicht ständig mitwächst, expandiert und andere verdrängt, hat keine Chancen ...
- Das aber erhält und verschärfter den ständigen Externalisierungsdruck (eigene Lastkosten
auf andere abwälzen) der Natur gegenüber, dem Staat (Steuerzahler) gegenüber, der 3. Welt
gegenüber, sozial und auf dem Arbeitsmarkt. Die unbegrenzte Globalisierung der Wirtschaft verschärft
diese Externalisierung in einem gefährlichen Ausmaß.
- Die ökonomische Krise ist in den Industriestaaten äußerst verschärft durch
Rationalisierung im Produktionsprozess und durch einen übersättigtem Markt: es wird ständig
mehr und billiger produziert, als eigentlich gebraucht wird und als Arbeitskräfte
- durch Absatz bezahlt werden können. In naher Zukunft sind nur etwa 20% der arbeitsfähigen
Bevölkerung für sämtliche Produktion und Dienstleistung nötig, die restlichen 80% werden
nur als Konsumenten gebraucht, sind aber ohne wertschöpfende Erwerbsarbeit nicht in der Lage, nachhaltig
zu konsumieren.
- Da nicht mehr die Gebrauchsnotwenigkeit der Güter einen ausreichenden Absatz gewährt., muss
der Markt durch Wecken von Scheinbedürfnissen, durch Stimulierung des Konsumismus angekurbelt werden:
Pflege eines Kultmarketings, Konsumismus als Religion . . .
(Im Folgenden erst Stichwortzusammenstellung)
1.2. Nötig ist:
- Vor allem Ausstieg aus der Wachstumsideologie, Entwicklung eines neuen
Paradigmas der Ökonomie: ausgeglichene Wirtschaft ohne quantitatives
Wachstum;
- Überwinden von Wachstumszwangsmechanismen im Kapital und Geldwesen
und in der Bevorteilung der Expansiven (Revision des Zinswesens,
Negativzins für nicht selbst erarbeitetes Vermögen; Überwindung
leistungsloser Einkommen, Abschaffen oder Besteuerung der Einnahmen
durch Börsenspekulation usw.);
- Entwicklung einer ökologisch und sozial verträglichen Produktionsweise, die
alle Lastkosten in den Produktionsprozess hinein nimmt
(Verursacherprinzip, Stoffkreisläufe);
- Statt Arbeitsplatzbesteuerung Gewinnbesteuerung der Betriebe...
2. Fehlentwicklung in der Lebensweise - Ansätze der Neuorientierung
2.1. Fehlentwicklungen vor allem:
- im Konsumismus...; Symptome von suchartigen Verhaltensweisen... . . .
(hier inhaltlicher Schwerpunkt, ausführlicheres Darstellen der Zusammenhänge!)
- Desorientierung in Werbung und Medien und öffentlicher Meinungsbildung.
- Regelkreiswirkung zwischen dem Kultmarketing der Wirtschaft, dem
Konsumismus der Menschen und kulturell-politischer Fehlleistung...
2.2. Nötig ist:
- Befreiung aus Konsumirrtum und suchtartiger Abhängigkeit (neue
„Befreiungstheologie" für die Industriestaaten) . . .
- Sensibilisierung für immaterielle Werte, Zwischenmenschlichkeit, Selbstfindung,
Natur- religiöse Tiefenanbindung, Spiritualität...
- Vorleben von anderem Lebensstil, erleben dass er reicher
macht.
- Entsprechende öffentliche Meinungsbildung...
- Entwicklung einer entsprechenden Kultur und Bildung. . .
3. Fehlbestimmung in der Politik- Prämissen einer Politik der Nachhaltigkeit
3.1. Fehlentwicklungen vor allem:
- Vor allem das Vorherrschen der Prämisse eines ständigen Wachstums, der
Behauptung, dass die freie Marktwirtschaft dereguliert am besten funktioniert
- Die Abhängigkeiten der Politik vom Wirtschaftsinteressen. . .
- Globalisierung der Konzerne und der freien, unregulierten
Marktwirtschaft,
Nichtmitkommen der nationalen Gesetzgebung, Mangel an wirksamen globalen Pol itikinstrumenten ...
- Die Kurzatmigkeit des bisherigen parlamentarischen Systems, d.h. aus Gründen der Wiederwählbarkeit
Verzicht auf nachhaltige, auch schmerzhafte politische Programme und ihre Umsetzung...
3.2. Nötig ist:
- Vor allem Rückkehr der Politik zu ihrer Politikfähigkeit...
- Entmachtung der irregulären Macht der Großwirtschaft...
- Durchsetzen von ökologischen Grundregeln wie Verursacherprinzip,
Externalisierung der Last- und Folgekosten, der Stoffwechselkreisläufe, des
Umstiegs auf Sonnenenergie...
- Weiterentwicklung der Demokratie unter zwei Prämissen:
- Integration und Beteiligung der Betroffenen, Bürgerbewegungen...
- demokratische Kontrolle der politischen Macht der Wirtschaft...
III. Entwicklungs Strategien und Handlungsmöglichkeiten
1. Ringen um einen gesellschaftlichen Grundkonsens
- All das bisher Genannte kann nur gelingen, wenn es einen
großen neuen gesellschaftlichen Diskurs gibt um die Frage, wie ein
nachhaltige, zukunftsfähige Wirtschafts- und Lebensweise gefunden werden
kann.
- Dabei entscheidende Fragen: „Was wollen wir wirklich? Was ist der
Minimalkonsens? Wozu sind wir um dessen Willen bereit?"
- Daraus einen gesellschaftlichen Grundkonsens entwickeln, so etwas
wie ein „Gesellschaftsvertrag" (J. Ficher)...
2. Zusammenwirken von vier Ebenen
- Es geht nicht um gegenseitige Schuldzuweisung, nicht um Ausspielen oder
einseitige Postulate, z.B.:... 5* Es geht um ein Zusammenwirken auf
fünf Ebenen:
- Politische Ebene,
- Technologische Ebene („Faktor vier"),
- Bewusstseins- und Wertewandel,
- Alternative Bewegungen und Initiativen (NGO's u.a.),
- öffentliche Meinungsbildung, Bildung und Kultur
- mit jeweils besondere Aufgabe, Eigenwert, z.B. ... und jeweils angewiesen sein
auf die andere Ebene...
- wie das Zusammenspiel aussehen kann...
3. Handlungsfelder, Initiativen, Modelle
- Es gibt schon viele Anfänge, z.B. . . .
- Diese stärken, ausbauen durch öffentliche Unterstützung,
- Weitere neue entwickeln z.B. ...
4. Die besonderen Aufgaben der Kirchen und Religionen
- Zeitansage: Aufdecken der Ersatzreligion „Konsumismus", des „Mammondienstes"
- den Konziliaren Prozess neu aufnehmen, ihn mit allen Religionen in einer
interreligiösen Bewegung weiterentwickeln...
- Bewusstseinsbildung und Ausbildung in eigenen
Bereichen. . .
- Modelle in eigenen Bereichen entwickeln. . .